Die Farben der Pferde

Die Grundfarben.

Bevor man über die Vererbung der Farben bei Pferden redet, so sollte man zunächst erläutern, welches Merkmal mit der "Farbe" des Pferdes gemeint ist, denn die Fell"farben" des Pferdes sind keine Farben im Sinne der Physik oder der Kunst. Die Farbe beim Pferd ist eine Eigenschaft, die die Musterung des Fells mit beinhaltet. Dies wird schon bei den Grund"farben" der Pferde deutlich:

Der "Braune", das "braune" Pferd.
Das "braune" Pferd darf als die ursprünglichste unter den Grundfarben gelten. "Braune" haben eine schwarze Mähne, einen schwarzen Schweif. Der Körper des "Braunen" ist tatsächlich braun gefärbt. Die schwarzen Beine wiederum sind - oft bis über das Sprunggelenk bzw. das Vorderfußwurzelgelenk hinaus - schwarz gefärbt. Die Schwarzfärbung der Beine geht meist allmählich in die Braunfärbung des Körpers über. Die Schwarzfärbung des Schweifhaares, bzw. der Mähnenhaare ist gegenüber der Braunfärbung des Körpers fast immer gut abgegrenzt.


Der "Fuchs", das "fuchsfarbene" Pferd.
Der Fuchs ist nicht nur am Körper braun gefärbt, sondern auch Schweif, Mähne und Beine sind braun. Schwarzes Fellpigment wird vom Fuchs nicht oder kaum gebildet.


Der "Rappe".
Die Schwarzfärbung von Schweif, Mähne und Beinen greift beim Rappen auch auf den Körper über. Der Rappe ist also ein schwarzes Pferd.

Welche Gene steuern die Vererbung?

Die Grundfarben hängen von 2 Genen ab. Beide Gene können in jeweils zwei Allelen vorkommen.

  • Das Gen B (="Black") ist zuständig für das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein von Schwarzfärbung. Es kann in zwei Ausprägungen (=Allelen) vorkommen. Dabei ist das Allel B dominant gegenüber dem Allel b. Die Allelkombinationen des "Black"-Gens zeigen sich im Phänotyp folgendermaßen:
    Allelkombinationen BB und Bb: Schwarzfärbung vorhanden (Rappe oder Brauner).
    Allelkombination bb: keine Scharzfärbung vorhanden (immer: Fuchs).
    Manche Genetiker bezeichnen dieses Gen auch mit dem Buchstaben E für "Extension".
     
  • Das zweite Ge ist der Erbfaktor A ("Agouti"). Er ist zuständig für die Beschränkung der Schwarzfärbung auf Schweif, Beine und Mähne. Dabei ist das Allel A dominant gegenüber a. Das Agouti-Gen kann sich natürlich nur dann im Phänotyp bemerkbar machen, wenn überhaupt Schwarzfärbung vorhanden ist. Die möglichen Allelkombinationen wirken dann im Phänotyp, wie folgt:
    Allelkombinationen AA und Aa: wenn Schwarzfärbung vorhanden, dann auf Schweif und Mähne beschränkt (Brauner).
    Allelkombination aa: wenn Schwarzfärbung vorhanden, dann nicht nur auf Schweif und Mähne beschränkt, sondern Pferd insgesamt schwarz (Rappe).

Übersicht über die Genotypen:

Betrachtet man also beide Gene zugleich, so können folgende Allelkombinationen bei den Genotypen den entsprechenden Phänotypen zugeordnet werden:
Brauner: AABB AABb AaBB AaBb
Rappe: aaBB aaBb
Fuchs: AAbb Aabb aabb

Beispiel 1: Mischerbiger Rappe X mischerbiger Fuchs

Stellt man Kreuzungstabelle für einen Rappe mit dem Genotyp aaBb und einem Fuchs mit dem Genotyp Aabb auf, so zeigt sich, daß aus dieser Anpaarung alle Grundfarben fallen können:

  Rappe, Genotyp aaBb
aB ab
Fuchs
Genotyp
Aabb
Ab Brauner
AaBb
Fuchs
Aabb
ab Rappe
aaBb
Fuchs
aabb

Beispiel 2: Anpaarung zweier mischerbiger Rappen

Kreuzt man zwei mischerbige Rappen miteinander, so können aus dieser Anpaarung nichts anderes als Rappen und Füchse fallen.

  Rappe, Genotyp aaBb
aB ab
Rappe
Genotyp
aaBb
aB Rappe
aaBB
Rappe
aaBb
ab Rappe
aaBb
Fuchs
aabb

Beispiel 3: Mischerbiger Rappe X reinerbiger Rappe

Ist ein Rappe reinerbig, so fällt aus der Anpaarung mit einem anderen Rappen stets wieder ein Rappe:

  Rappe, Genotyp aaBb
aB ab
Rappe
Genotyp
aaBB
aB Rappe
aaBB
Rappe
aaBb

Beispiel 4: Kreuzung zweier mischerbiger Brauner.

Aus der Anpaarung zweier für beide Grundfarbgene mischerbiger Brauner fallen Braune, Füchse und Rappen. Das Zahlenverhältnis beträgt Brauner:Fuchs:Rappe = 9:4:3. Allerdings ist nur einer dieser Braunen für beide Grundfarbgene reinerbig. Dieser ist in der Kreuzungstabelle kursiv hervorgehoben.

  Brauner, Genotyp AaBb
AB  Ab  aB  ab 
Brauner, 
Genotyp 
AaBb 
AB  Brauner
AABB 
Brauner
AABb 
Brauner
AaBB 
Brauner
AaBb 
Ab  Brauner
AABb 
Fuchs
AAbb 
Brauner
AaBb 
Fuchs
Aabb 
aB  Brauner
AaBB 
Brauner
AaBb 
Rappe
aaBB 
Rappe
aaBb 
ab  Brauner
AaBb 
Fuchs
Aabb 
Rappe
aaBb 
Fuchs
aabb 

 

Variationen der Grundfarben.

Der Schimmel

Die Grundfarben können durch mancherlei weiteren "Farbgenen" in ihrer Ausprägung variiert werden. Ein häufiges Beispiel ist der der Graufaktor G (="Grey"), der für den verblassenden Schimmel verantwortlich ist.
Verblassende Schimmel - im Folgenden einfach Schimmel genannt - werden als Füchse, Rappen oder oder Braune geboren. Mit jedem Haarwechsel (jeweils im Frühjahr und im Herbst) hören einige Haarwurzeln auf, Pigmente herzustellen und bilden weißgraue Haare aus.
Diesen Vorgang der allmählichen Zunahme der Anzahl von weißgrauen Haaren im Pferdefell bezeichnet man als "Ausschimmeln". Während man einen Schimmel bei seiner Geburt nicht von einem normalen Vertreter mit der entsprechenden Grundfarbe nicht unterscheiden kann, ist er im Alter von fünf Jahren meist schmutziggrau/grundfarbig gefärbt. Nach dem zehnten Lebensjahr sind die meisten Schimmel reinweiß. Allderdings bleibt die Haut unter den ehemals "grundfarbigen" Fellpartien dunkel pigmentiert.

Vererbung des Schimmels

Der Graufaktor tritt in zwei Ausprägungen (Allelen) auf: Das dominante Allel G bewirkt eine Ausschimmelung, das rezessive Allel g bewirkt, daß ein grundfarbenes Pferd zustande kommt, welches kein Schimmel ist. Im Falle der Mischerbigkeit bezüglich des Graufaktors im Genotyp (also die Allelkombination Gg) setzt sich die Schimmelung nach außen hin (im Phänotyp) durch.

Beispiel: Anpaarung eines mischerbigen Schimmels mit einem Nichtschimmel

  Schimmel, Genotyp Gg
  G    g 
kein
Schimmel
Genotyp
gg
  g  Schimmel
Gg
kein
Schimmel
gg
  g  Schimmel
Gg
kein
Schimmel
gg

Tobiano - eine dominante plattenbunte Scheckung

Eine weitere Variaton der Grundfarbe ist die plattenbunte Scheckung vom Tobiano-Typ. Bei Schecken sind größere Flächen auf Körper nicht in der Grundfarbe gefärbt, sondern mit weißem Fell bedeckt. Im Unterschied zur Weißfärbung des Schimmels ist die Haut unter dem Scheckenweiß unpigmentiert und dadurch rosa gefärbt.
Tobiano-Schecken haben typischerweise einen grundfarbenen Kopf. Die Ränder der Scheckung sind meist gut begrenzt. Die Scheckung geht üblicherweise über den Rücken hinweg.

Vererbung des Tobiano-Schecken

Der Tobiano-Faktor tritt in zwei Ausprägungen (Allelen) auf: Das dominante Allel T bewirkt eine Scheckung, das rezessive Allel t bewirkt, daß ein grundfarbenes Pferd zustande kommt, welches kein Schecke ist. Im Falle der Mischerbigkeit bezüglich des Tobiano-Faktors im Genotyp (also die Allelkombination Tt) setzt sich die Scheckung nach außen hin (im Phänotyp) durch.

Beispiel 1: Anpaarung eines mischerbigen Tobiano-Schecken mit
einem Nichtschecken

  Tobiano-Schecke, Genotyp Tt
  T    t 
kein
Schecke
Genotyp
tt
  t  Schecke
Tt
kein
Schecke
tt
  t  Schecke
Tt
kein
Schecke
tt

Beispiel 2: Anpaarung zweier mischerbiger Tobiano-Schecken

  Tobiano-Schecke, Genotyp Tt
  T    t 
Tobiano-
Schecke
Genotyp
Tt
  T 
Schecke
TT

Schecke
Tt
  t 
Schecke
Tt
kein
Schecke
tt

Die "Wahrscheinlichkeitsfalle"
- wie man Kreuzungstabellen interpretiert und "Garantien" in Deckanzeigen liest ...

Betrachtet man die Phänotypen, so liest man liest die Kreuzungstabelle in Beispiel 2 so, daß (bei großen Nachkommenzahlen) das Zahlenverhältnis von Schecken zu Nichtschecken gleich 3:1 ist. Man kann dieses Zahlenverhältnis auch als Wahrscheinlichkeit lesen:
Jedesmal, wenn diese beiden Genotypen angepaart werden, besteht eine Wahrscheinlichkeit von 75%, daß aus der Anpaarung ein Schecke fällt, und eine Wahrscheinlichkeit von 25%, daß aus der Anpaarung ein Nichtschecke fällt.

Für die Zuchtpraxis ist es wichtig, zu wissen, daß bei jeder Anpaarung "die Karten neu verteilt werden". Das heißt zum Beispiel, daß die Chance auf einen Schecken für die einzelne Anpaarung sich auch dann nicht erhöht, wenn zuvor zufällig zehnmal hintereinander ein Nichtschecke aus der Anpaarung gefallen ist: Dieses oder Ähnliches zu glauben, ist ein weitverbreiteter Irrtum unter Pferdezüchtern und anderen Glücksspielern!

Richtig ist hingegen, daß es sehr unwahrscheinlich ist, daß bei großen Wiederholungszahlen dieser Anpaarung immer wieder nur Nichtschecken fallen: Das Zahlenverhältnis wird sich "auf lange Sicht" dem Verhältnis 3:1 = 75%:25% angleichen. Diese Betrachtungsweise gilt aber nur, wenn man viele Anpaarungen im Überblick betrachtet! Auf die Chancen einer einzelnen Anpaarung haben die Ergebnisse der vorhergehenden Anpaarungen keine Wirkungen, sondern nur die Verteilung der Gene in den Elterntieren!
Lassen Sie sich also nicht obskuren Chancenrechnungen, wie man sie häufig in Werbeanzeigen für gescheckt Deckhengste findet, in die Irre führen. Die diesen Rechnungen zugrunde liegenden Daten sind selbst dann, wenn die Daten in der Sache zutreffen, so präsentiert, daß man die falschen Schlußfolgerungen über die züchterischen Chancen ziehen soll.

Auch die Kreuzungstabelle aus Beispiel 1 kann dies illustrieren: Die Wahrscheinlichkeit für einen Schecken ist bei einer Anpaarung eines tobiano-gescheckten mischerbigen Hengstes mit einer grundfarbigen Stute immer 50% für die einzelne Anpaarung. Daran ändert die reale, zufällige "Scheckenquote" in der Vergangenheit ebenso wenig wie eine sogenannte "Scheckengarantie" seitens des Hengstbesitzers.

Solche Garantien können zum Beispiel bedeuten, daß in dem Falle, wenn ein Fohlen von einem solchen Hengst mit zugesicherter "Scheckengarantie" kein Schecke wird, ein Teil der Deckgebühr an den Stutenbesitzer zurückerstattet wird. Es kann auch bedeuten, daß in diesem Fall dem Stutenbesitzer eine verbilligte zweite Bedeckung oder sogar ein Freisprung gewährt wird. Ähnliches gilt für die sogenannten "Lebendfohlengarantien". Was die Garantien des Hengsthalters wirklich bedeuten, ist im Einzelfall bei ihm zu erfragen.

Overo - eine rezessive plattenbunte Scheckung.

Overo-plattenbunt gefärbte Pferde sind bei den mitteleuropäischen Pferderassen eher selten. Overo-Schecken tragen meist viele weiße Fellpartien am Kopf. Häufig kreuzt die Scheckung den Rücken der Tiere nicht: Während ein Tobiano oft wirkt wie ein "scheckenweißes" Pferd mit großen grundfarbenen Flächen, wirkt der Overo-Schecke meist wie ein grundfarbenes Pferd mit "scheckenweißen" Flächen.  Die Ränder der Scheckung sind meist "gerissen", sodaß die genaue Kontur der Scheckung schwerer wahrnehmbar ist.

Die Overo-Scheckung ist rezessiv, d.h. im Gegensatz zum Tobiano-Erbfaktor wirkt sich das Overo-Allel nur dann aus, wenn es reinerbig weitergegeben wird. Das heißt im Umkehrschluß auch, daß im Phänotyp ("äußerlich") ungescheckte Pferde das Overo-Allel in sich tragen und an die nächste Generation weitergeben. können. So ist es zu erklären, daß von phänotypisch ungescheckten Elterntieren manchmal Overo-Fohlen abstammen.

Beispiel 1: Reinerbiger Overo X reinerbiger Nicht-Overo.

  Overo-Schecke, Genotyp oo
 o   o 
kein
Overo-
Schecke
Genotyp
OO
  O  kein
Overo-Schecke
Überträger
Oo
kein
Overo-Schecke
Überträger
Oo
  O kein
Overo-Schecke
Überträger
Oo
kein
Overo-Schecke
Überträger
Oo

Keiner der Nachkommen aus dieser Anpaarung weist eine Overo-Scheckung auf, aber alle tragen das Overo-Allel in sich und können es auch weitergeben.

Beispiel 2: Zwei mischerbige Überträger, äußerlich Nicht-Overo

  kein Overo-
Schecke, Genotyp Oo
 O   o 
kein
Overo-
Schecke
Genotyp
Oo
  O  kein
Overo-Schecke
Nichtüberträger
OO
kein
Overo-Schecke
Überträger
Oo
  o kein
Schecke
Überträger
Oo
Overo-
Schecke
oo

25% der Nachkommen aus dieser Anpaarung weisen eine Overo-Scheckung auf, 50% alle tragen das Overo-Allel in sich (und können es auch weitergeben), sind aber selbst nicht overo-gescheckt. Zuletzt sind 25% der Nachkommen weder overo-gescheckt, noch können sie das Overo-Allel übertragen. Ungescheckte Überträger und Nichtüberträger sind äußerlich nicht unterscheidbar!

Beispiel 3: Mischerbiger Überträger X reinerbiger Overo.

  kein Overo-
Schecke, Genotyp Oo
 O   o 
Overo-
Schecke
Genotyp
oo
  o kein
Overo-Schecke
Überträger
Oo
Overo-Schecke
oo

50% der Nachkommen aus dieser Anpaarung weisen eine Overo-Scheckung auf, die anderen 50% tragen das Overo-Allel in sich (und können es auch weitergeben), sind aber selbst nicht overo-gescheckt.

Beispiel 4: Mischerbiger Überträger X reinerbiger Nichtüberträger.

  kein Overo-
Schecke, Genotyp Oo
 O   o 
kein
Overo-
Schecke
Genotyp
OO
  O kein
Overo-Schecke
Nicht-Überträger
OO
kein
Overo-Schecke
Überträger
Oo

Kein Nachkomme aus dieser Anpaarung weist äußerlich eine Overoscheckung auf. 50% der Nachkommen tragen das Overogen auch nicht in sich. Die anderen 50% tragen das Overo-Allel es in sich (und können es auch weitergeben), sind aber selbst auch nicht overo-gescheckt.

Verbreitung der plattenbunten Scheckung.

Die Tobiano-Scheckung wird von vielen Wissenschaftlern als die ursprünglichere angesehen. Sie trat bei vielen Rassen auf, auch wenn man man einige Rassen inzwischen fast "scheckenfrei" gezüchtet hat. Die meisten Schecken in den europäischen Pferdezuchten sind heute Tobianos.  Overos sind  bei europäischen Pferden seltener. Häufig ist diese Scheckung jedoch für Paint Horses, der gescheckten Variante der "Westernpferdrasse" Quarter Horse oder auch für südamerikanische Rassen. Auch gibt es viele Paints, die Tobiano-gescheckt sind oder zugleich Tobiano und Overo-Scheckung aufweisen ("Tovero" oder "Tobero").

Weitere Variationen der Grundfarben.

Weitere Farbvariationen sind z.B. der optische Aufhellungsfaktor D (="Dilute), der Füchse in Palominos, Rappen in Smokeys und Braune Falben (=Isabellen) verwandelt. Auch die von mehreren voneinander unabhängig voneinander vererbten Erbfaktoren abhängige Tigerscheckung soll hier nicht behandelt werden.