Gingko biloba L. (Fächerblattbaum)

Lebendiges Zeugnis aus ferner Vergangenheit ...

Als sich die die Ginkgoales in vor ca 280 bis 225 Mio. Jahren, von den übrigen Samenpflanzen abspalteten, war der Samen gerade "frisch erfunden": Die Reproduktionsorgane des letzten Überlebenden dieser Gruppe - des in SO-China heimischen Ginkgo biloba L. - sind dementsprechend urtümlich.

Let's talk about sex ...

Der Ginkgo ist zweihäusig: Es gibt männliche und weibliche Exemplare.

Die Samenanlagen in den weiblichen Blüten sind nackt, d.h. noch nicht von einem Fruchtblatt (Carpell) geschützt. Zwischen Bestäubung und Befruchtung kann eine gewisse Zeit vergehen: Das Mikroprothallium im Pollen bildet ein bewimpertes "Spermatozoid" aus, welches durch die in der Samenanlage dafür vorgesehene Öffnung - die Mikropyle - eindringt und den Samen befruchtet. Das Ganze kann natürlich nur in Flüssigkeit funktionieren - daher bildet sich an der Spitze der Mikropyle ein Tropfen aus, in die Spermatozoiden schwimmen können.

Besonders wirtschaftlich gehen die weiblichen Exemplare des Baums dabei nicht vor: Die Samenanlage wird vollständig mit allen Vorräten ausgestattet, auch wenn noch gar nicht fest steht, ob überhaupt eine Befruchtung stattfindet. Was ist z.B., wenn die Flüssigkeit an der Mikropyle eintrocknet, bevor die ersten Pollen einfliegen? Dann war dieser Aufwand "für die Katz".

Eine echte Samenruhe wie bei moderneren Nacktsamern oder bei den Bedecktsamern gibt es nicht. Ist die Samenanlage erst einmal befruchtet, entwickelt sich der Embryo kontinuierlich weiter und keimt alsbald, wenn die Bedingungen stimmen - oder geht zugrunde, wenn nicht. Auf bessere Zeiten warten? Ist nicht drin.

Von manchen Botanikern wird u.a. die fehlende Samenruhe als Grund gewertet, dem Ginkgo die Aufnahme in den erlauchten Club der Samenpflanzen (Spermatophyta) zu verweigern: Sie bezeichnen den Ginkgo als Präspermatophyt - also als "Vorform einer Samenpflanze".

Aufsicht auf das Ende eines Langtriebes. Junger Baum in der Tierklinik Hochmoor (Gescher-Hochmoor, NRW).
Einzelnes Blatt ...

Die Folgen der Verschwendungssucht ...

Als die Konkurrenz durch die modernen Samenpflanzen noch nicht hoch war - im Erdaltertum - waren die Ginkgo-Gewächse formenreich über die nördliche Erdhemisphäre verbreitet und sind seitdem auf dem Rückzug. Im Tertiär gab es noch eine Reihe von Arten, die unter dem Einfluß der Eiszeiten im Quartär bis auf eine - Ginkgo biloba L. eben - ausstarben. Ginkgo biloba L. wurde in China vom Menschen unter Kultur genommen und war vor allem in der Nähe von Tempeln und Kultstätten gern gesehen.

Vielleicht hat die Zweihäusigkeit die "Yin- und Yang-versessenen" Asiaten dazu gebracht, dem Baum einen besonderen Status zu verleihen. Doch auch die besondere Blattform und Nervatur wird die Menschen beeindruckt haben: Die meisten Blätter sind zweilappig. Sie haben keine Mittelrippe. Die Blattadern verzweigen sich streng zweigabelig (=dichotom) ohne Anastomosen. Manche Blätter - vor allem bei jungen Bäumen - sind fächerförmig gelappt, die meisten jedoch haben in der Mitte nur einen tiefen Einschnitt, der der Art zu ihrem lateinischen Namen (bilobus = zweilappig) verhalf.

Die Blätter wachsen meist büschelig an Kurztrieben, welche an den wenig verzweigten Langtrieben sitzen. Ein wenig erinnert die Silhouette junger Bäume an Koniferen. Ausgewachsene Bäume haben eine ausgeprägte Krone. Die graue Rinde ist zunächst glatt und wird rasch rissig.

Seitenansicht eines Langtriebes.

Allerorten beliebt und hart im Nehmen ...

Sein außergewöhnliches Aussehen hat den Ginkgo seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts weltweit zu einem beliebten Baum in Botanischen Gärten und in Parks gemacht. Dabei zeigte sich die Pflanze gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen als ausgesprochen widerstandsfähig, wodurch sie zu einem idealen Überlebenden im "Großstadtdjungel" wird. Ein Exemplar soll sogar den Atombombenabwurf in Hiroshima überlebt haben.

Die vegetative Vermehrung mit Wurzelschößlingen gelingt recht einfach.

Kurztrieb direkt am Stamm in Aufsicht, Struktur der Rinde. Ende eines Langtriebes in  Seitenansicht.

Allerdings sind nur die männlichen Exemplare so beliebt: Die weiblichen Bäume erzeugen nach ihrer ersten Reife große Mengen übelriechender, visköser Samen. Wenn die Samen am Boden liegen, löst sich ihr fleischiger Mantel rasch auf, was in Parks zu einer erhöhten Gefahr des Ausrutschens von Spaziergängern unter den weiblichen Bäumen führt.

Der "Zweigelappte Fächerbaum" in der Medizin ...

In China werden Ginkgo-Blätter als Wundpflaster verwendet. Tees helfen gegen Bronchialbeschwerden, Husten und Asthma. Sie sollen auch die Spermatogenese auf Trab bringen und so leichte Formen männlicher Unfruchtbarkeit heilen. Daß man den verkochten Brei aus Ginkgo-Blättern gegen Frostbeulen einsetzt, brachte westliche Pharmakologen auf die Idee, die Pflanze auf gefäßaktive Eigenschaften zu untersuchen: Daher wird der Ginkgo-Extrakt inzwischen auch erfolgreich zur Förderung der Hirndurchblutung, der Fließeigenschaften des Blutes und des Sauerstofftransports eingesetzt.

(Fotos/Text: Dipl.-Biol. Ingo Schendel, 2003/2004)